Achtzehn Monate nachdem der arabische Frühling nach Ägypten geschwappt ist, sind die politischen Verhältnisse in Kairo verworrener denn je. ARTE Journal hat mit dem jungen ägyptischen Journalisten, Blogger und Filmemacher Ahmed El Lozy darüber gesprochen, wie die Revolutionäre die aktuellen Machtspiele wahrnehmen.
Fabienne Hurst für ARTE Journal: Sie haben für die Zeitung Al-Masri Al-Youm die ägyptische Revolution von Anfang an mitverfolgt und kennen daher viele revolutionäre Gruppen. Was hält die “Generation facebook”, die mit für den Sturz des Mubarak Regimes ausschlaggebend war, von den Machtspielchen zwischen Militär und Mohammed Mursi?
Ahmed El Lozy: Es gibt mehrere Lager. Manche Leute halten es für an der Zeit, nur Beobachter zu sein. Sie sagen sich: Das ist ein Konflikt zwischen der Armee und den Muslimbrüdern, wir können nicht viel machen. Es gibt auch welche, die Mursi unterstützen und sich sagen, man sollte ihm vielleicht eine Chance geben. Ich persönlich halte das für einen Konflikt, der uns nicht weiterbringt. Es ist wirklich sehr schwer zu wissen, auf welcher Seite man sich platzieren soll.
Mohammed Mursi spielt lieber Machtpoker mit dem Militär als sich an das Volk direkt zu wenden. Ist die Zeit der grossen Demonstrationen vorbei?
Die Leute glauben nicht mehr daran, man kann überhaupt keinen Druck mehr ausüben. Zumindest der Tahrirplatz hat keinerlei Wichtigkeit mehr. Im Sinne von: Jetzt kann man den Platz für hundert Tage besetzen und nichts wird sich verändern. Außerdem: Sogar Mursi, der Präsident selbst ist auf den Platz gegangen um sich gegen die Verfassungsänderung und das aufgelöste Parlament aufzulehnen. Das muss man sich mal vorstellen: Ein gewählter Präsident hat so etwas nötig in Ägypten! Das sagt doch schon einiges aus. Es zeigt: Mursi hat keinerlei Einfluss.
Am Freitag hat es Demonstrationen auf dem Tahrirplatz gegeben.
Ja, das waren ausschließlich Islamisten, die gegen das Verfassungsgericht protestierten, weil es im Juni die Parlamentswahl für ungültig erklärt hatte. Aber andere Gesellschaftsgruppen haben sich der Demonstration nicht angeschlossen.
Wo sind die all die jungen Blogger, Twitterer und Aktivisten, die die Revolution so stark geprägt haben?
Nicht wenige sind depressiv geworden. Manche gehen einfach auf unbestimmte Zeit in den Urlaub um dem Schlamassel zu entgehen. Manche unterstützen Mursi, aber das ist in ihren Kreisen nicht besonders gern gesehen. Man bezeichnet sie als Opportunisten, Verräter. Generell haben diese ehemaligen Revolutionäre fast keine Energie mehr. Das dauert jetzt schon 18 Monate und wir verlieren immer mehr die Hoffnung. Es war schon ziemlich deprimierend, als wir die Ergebnisse des ersten Wahlgangs erhalten haben: Schafik gegen Mursi. Aber zu sehen, wie politische Angelegenheiten nun ganz offen zwischen den USA, dem Militär und den Muslimbrüdern abgewickelt werden, das ist nocheinmal ein Stück entmutigender.
Was enttäuscht die Menschen am meisten?
Dass all diese Menschen, die für die Revolution gestorben sind, es umsonst getan haben. Am Ende hat es nur dazu geführt, dass die Muslimbrüder an die Macht kommen. Das Problem mit den Muslimbrüdern ist nicht, dass sie Islamisten sind, das Problem ist, dass ihre politische Vision nicht wirklich anders ist, als die von Mubarak. Und auch sie sind in fester Hand des Militärs.
Interview von Fabienne Hurst für ARTE Journal
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